Beim Kundenauftrag zur Herstellung, Änderung oder Reparatur eines Schmuckstückes entsteht ein Werkvertrag, sobald der Auftrag angenommen wird. Der VSGU-Rechtsdienst erläutert, welche Rechte und Pflichten sich daraus für Goldschmiedinnen, Goldschmiede und Uhrmacher ergeben – insbesondere im Zusammenhang mit Mängeln – und worin die Unterschiede zum Dienstleistungsvertrag (Auftrag) liegen.
1. Der Werkvertrag im Überblick
Die gesetzlichen Grundlagen finden sich in den Artikeln 363 bis 379 des Obligationenrechts (OR).
Der Werkvertrag verpflichtet den Unternehmer, ein konkretes, überprüfbares Arbeitsergebnis – ein sogenanntes „Werk“ – zu liefern. Entscheidend ist also der Erfolg, nicht nur die Tätigkeit. Im Goldschmiede- oder Uhrenatelier betrifft dies etwa das Anfertigen, Ändern oder Reparieren eines Schmuckstücks oder einer Uhr in der vereinbarten Qualität.
Demgegenüber steht der Auftrag gemäss Artikel 394 ff. OR. Hier schuldet die beauftragte Person lediglich ein Tätigwerden – etwa Beratung oder Gutachten –, nicht aber ein bestimmtes Resultat. Diese Vertragsart findet sich typischerweise bei freien Berufen wie Anwälten, Ärzten oder Architekten.
Für Goldschmiede- und Uhrenbetriebe gilt daher in aller Regel: Reparatur- und Anfertigungsaufträge sind Werkverträge, nicht Aufträge.
2. Schriftliche Vereinbarung schafft Klarheit
Das OR schreibt für den Werkvertrag keine besondere Form vor – er kann also auch mündlich abgeschlossen werden.
In der Praxis empfiehlt sich jedoch dringend eine schriftliche Vereinbarung. Sie schafft Rechtssicherheit, beugt Missverständnissen vor und erleichtert im Streitfall den Nachweis der Abmachungen.
Folgende Punkte sollten in jedem Werkvertrag klar geregelt sein:
- Präzise Beschreibung der vereinbarten Leistung(en)
- Preis oder Preisspanne (inkl. Rabatte oder Preisreduktionen)
- Zweckbestimmung des Werks (z. B. Alltagsschmuck, Verlobungsring, Ausstellungsstück)
- Vereinbarte oder zugesicherte Eigenschaften
- Termine und Fristen (insbesondere Ausführung und Zahlung)
- Regelung für den Fall, dass die Kundschaft das fertige Werk nicht abholt
Ein klar formulierter Auftrag ist die beste Prävention gegen spätere Mängelstreitigkeiten.
3. Was gilt als Mangel?
Ein Mangel liegt gemäss Artikel 368 OR vor, wenn das Werk fehlerhaft oder nicht vertragsgemäss ist – etwa bei brüchigen Lötstellen, ungleichmässigen Oberflächen, schlecht gefassten Steinen oder fehlenden zugesicherten Eigenschaften.
Die Haftung des Unternehmers ist verschuldensunabhängig: Es spielt keine Rolle, ob der Fehler absichtlich, fahrlässig oder zufällig entstanden ist.
4. Prüfung und Mängelrüge: Pflicht der Kundschaft
Nach Artikel 367 OR ist die Kundschaft verpflichtet, das Werk nach Ablieferung zu prüfen und allfällige Mängel unverzüglich zu melden.
Ohne rechtzeitige Mängelrüge gilt das Werk bei erkennbaren Mängeln als genehmigt.
Bei versteckten Mängeln, die erst später sichtbar werden (z. B. gelockerte Fassung nach wenigen Wochen), muss die Kundschaft diese sofort nach Entdeckung rügen. Die Mängelrüge muss konkret sein und klar zum Ausdruck bringen, dass der Unternehmer für die Beanstandung haftbar gemacht wird.
5. Rechte der Kundschaft bei Mängeln
Je nach Schwere des Mangels stehen der Kundschaft verschiedene Optionen offen:
- Wandlung (Vertragsaufhebung) – bei erheblichen Mängeln, die die Annahme des Werks unzumutbar machen (Art. 368 Abs. 1 OR).
- Minderung (Preisreduktion) – bei weniger gravierenden Mängeln (Art. 368 Abs. 2 OR).
- Nachbesserung (Reparatur) – die Kundschaft kann verlangen, dass der Unternehmer die Mängel kostenlos behebt, sofern dies nicht unverhältnismässig teuer ist (Art. 368 Abs. 2 OR).
Für die Nachbesserung muss der Unternehmer eine angemessene Frist erhalten. Verstreicht diese ungenutzt, kann die Kundschaft vom Vertrag zurücktreten oder Schadenersatz wegen Verzugs verlangen.
6. Schadenersatz und Verjährung
Neben Wandlung, Minderung oder Nachbesserung kann die Kundschaft zusätzlich Schadenersatz verlangen, wenn den Unternehmer ein Verschulden trifft – etwa bei unsorgfältiger Arbeit oder ungenügender Kontrolle vor Ablieferung.
Die Verjährungsfrist beträgt:
- zwei Jahre für bewegliche Sachen (z. B. Schmuckstücke, Uhren),
- fünf Jahre für Bauwerke oder fest eingebaute Bestandteile (Art. 371 OR).
7. Praxistipp des VSGU-Rechtsdienstes
„Klare schriftliche Abmachungen, sorgfältige Arbeit und eine transparente Kommunikation mit der Kundschaft sind der beste Schutz vor Mängelstreitigkeiten. Dokumentieren Sie Aufträge, Zustände und allfällige Abweichungen konsequent – idealerweise mit Fotos und Unterschriften.“
Autor: Roman Obrist, Jurist VSGU